08.03. Internationaler Frauentag: „Frauen sind so stark wie Männer – sie müssen nur wollen!“

Lokführerin Zahra Mahyari im Gespräch mit der Gleichstellungsbeauftragten der Stadt Königswinter, Frauke Fischer

Die Lokführerin Zahra Mahyari im Gespräch mit der Gleichstellungsbeauftragten der Stadt Königswinter, Frauke Fischer, anlässlich des Intern. Frauentages 2022

Frau Mahyari, wie ist es dazu gekommen, dass Sie nach Deutschland und Königswinter kamen?

Ich wurde im Iran im August 1983 geboren und wuchs als 6. Kind in mit 3 Schwestern und 5 Brüdern auf und wurde Religionslehrerin. Im Alter von 21 Jahren wurde ich – wie bei uns traditionell üblich – in einer „arrangierten“ Ehe verheiratet. Schnell merkte ich, dass wir nicht zusammenpassten, bekam eine Tochter – war jedoch unglücklich in meiner Ehe und bat darum, mich scheiden zu lassen.  Mein Mann und meine Familie stimmten einer Scheidung nicht zu.

Als die Zustände unerträglich wurden, beschloss ich, meinen Mann und meine Herkunftsfamilie hinter mir zu lassen und mit meiner damals 6-jährigen Tochter nach Deutschland zu fliehen. Ich legte sofort mein Kopftuch ab, als wir 2014 in die Flüchtlingsunterkunft Stieldorf zugewiesen wurden und meine Tochter besuchte die Grundschule in Stieldorf. Da ich mich noch im Asylverfahren befand, konnte ich zunächst keinen Deutschkurs besuchen, begann jedoch sofort nach erfolgter Anerkennung mit dem ersten Deutschkurs. Es folgten schwere Zeiten nachdem uns unsere erste Wohnung auf Grund von Eigenbedarf gekündigt wurde. Dank der vielen Hilfe bei Behördengängen und diverser Formalien seitens der Mitarbeitenden des Forum Ehrenamts sowie das außergewöhnliche Engagement des Gitarrenlehrers meiner Tochter, fanden wir eine kleine Wohnung in der Altstadt von Königswinter. 

Wie sind Sie auf die Idee gekommen Lokführerin zu werden?

In meinem Deutschkurs erhielt ich einen Infoflyer der Stiftung Bildung & Handwerk (SBH), dem ich entnahm, dass dort Triebfahrzeugführer zur Ausbildung gesucht wurden. Diese Vorstellung – einen Zug alleine zu fahren – packte mich. Mit Unterstützung des zuständigen Mitarbeiters des Jobcenters bewarb ich mich um einen Ausbildungsplatz, erhielt diesen und war die einzige Frau in der gesamten Schule. Fragen wie: „Was willst Du eigentlich als Frau hier?“ oder „Warum trägst Du so farbige Kleidung“ standen auf der Tagesordnung. Äußerungen wie „Du bist viel zu klein und zu schwach, Du schaffst es nicht, die Wagons an- und abkuppeln“ haben mich eher noch stärker gemacht und mich noch mehr motiviert es unbedingt zu schaffen! Für die besondere Unterstützung einzelner Sachbearbeitende des Jobcenters währen meiner Ausbildung – ohne deren Hilfe ich es nicht geschafft hätte – bin ich noch heute sehr dankbar. Kaum einer der Männer während der gut einjährigen Ausbildung traute mir zu, dass ich die Prüfung bestehe. Als dies wider Erwarten doch der Fall war – sogar als Jahrgangsbeste – hieß es, dass dies nur darin begründet sei, dass ich eine Frau bin. Die Prüfung war für mich unglaublich schwer und ich habe Tag und Nacht dafür gelernt. Parallel dazu absolvierte ich noch den PKW-Führerschein. Bereits in der Ausbildung, während eines Praktikums bei Lockpartner, erhielt ich ein Stellenangebot als Lokführerin, das ich sofort am nächsten Tag, nach bestandener Prüfung, am 18.11.2021 angetreten bin. Seitdem fahre ich je 7 Tage in Folge Güterzüge durch ganz Deutschland und stehe auf eigenen Füßen!

Sie sagen, Sie haben gelernt in Deutschland stark zu sein. Was hat Sie so stark gemacht?

In erster Linie ist es mein starker Wille. Frauen sind so stark wie Männer – sie müssen nur wollen! Sie sollen nicht nur zu Hause sitzen, sondern für ihre Interessen, Rechte und Ziele eintreten. Das sehe ich auch bei meiner Tochter – sie ist sehr früh selbständig geworden. Obwohl sie anfangs auch kein Deutsch gesprochen hat, besucht sie heute das Gymnasium und wurde 2021 mit dem ersten Preis bei Jugend musiziert für Gitarre ausgezeichnet. Wir Frauen sind stärker, als wir denken!

Welche Wünsche haben Sie für Ihre Zukunft?

Ich will weiterhin unabhängig sein! Ich wünsche mir, dass meine Tochter ein sicheres Leben hat. Vielleicht kann ich irgendwann eine eigene Wohnung oder ein kleines Häuschen besitzen. Und den Wunsch meiner Tochter erfüllen, nach Rom zu reisen, um die historischen Gebäude anzuschauen.

Und was wünschen Sie anderen Frauen anlässlich des heutigen Internationalen Frauentages?

Dass sie sich von alten Rollenbildern verabschieden, ihre Stärken erkennen und leben, selbstbewusst ihre Rechte wahrnehmen und ihre Interessen verfolgen. Denn das tut kein anderer für uns – das dürfen und müssen wir selbst in die Hand nehmen!

Vielen Dank!

 

Die Geschichte des Internationalen Frauentags
Der Internationale Frauentag (IFT) entstand im Kampf um Gleichberechtigung und Wahlrecht für Frauen. Initiiert durch Clara Zetkin (1857-1933) fand der erste IFT 1911 statt. Millionen von Frauen in Dänemark, Deutschland, Österreich, der Schweiz und den USA gingen auf Grund geschlechterbedingten Benachteiligungen auf die Straße. Ihre zentralen Forderungen waren das Recht auf Mitbestimmung und auf gleichen Lohn. Mit dem Streik der Textilarbeiterinnen in Sankt Petersburg am 8. März 1917 erhielt der IFT einen weltgeschichtlichen Aspekt. Er wird daher international am 8. März gefeiert.

Mehr zum Internationalen Frauentag gibt es auf der Seite der Gleichstellungsbeauftragten.